Die Newcastle Krankheit (NK) auch Newcastle Disease oder Atypische Geflügelpest genannt, ist eine weltweit verbreitete wirtschaftlich bedeutende Viruserkrankung beim Geflügel. In Deutschland gehört sie zu den anzeigepflichtigen Tierseuchen. Für Hühner und Puten besteht eine Impfpflicht. Erst im Mai dieses Jahres ist die NK in einem Bochumer Taubenschlag aufgetreten.
Die Krankheit ist nach der englischen Hafenstadt Newcastle benannt, wo sie 1926 mit Kampfhähnen aus dem damaligen holländischen Ostindien eingeschleppt wurde. Im 2. Weltkrieg kam die Krankheit mit Geflügel aus Italien nach Deutschland. Wie der Name vermuten lässt, besteht eine große Ähnlichkeit zur klassischen Geflügelpest („Vogelgrippe“). Eine Unterscheidung wurde erst später durch spezielle virologische Untersuchung möglich.
Der Auslöser ist ein behülltes, in der Umwelt verhältnismäßig stabiles Virus der Familie Paramyxoviridae (gr. Myxa: Schleim, gr. Para: neben), genauer das Paramyxovirus 1 (PMV-1). Dieses ist nah verwandt mit dem Orthomyxoviridae, den „echten Myxoviren“ zu denen auch das Influenzavirus A, der Erreger der Klassischen Geflügelpest, gehört. Auch das Krankheitsbild dieser beiden Erkrankungen ähnelt sich stark. Besonders empfänglich sind Hühner und Puten.
Von dem PMV-! Virus gibt es verschiedene Stämme, die unterschiedliche krankheitsauslösende Eigenschaften haben – mild (lentogen), mittel (mesogen), virulent (velogen). Die Einteilung erfolgt mittels einer Kennzahl, dem intrazerebralen Pathogenitätsindex (IC-PI). Zur Ermittlung dieser Kennzahl wird eine kleine Menge aufbereiteten Virusmaterials in das Hirngewebevon Eintagsküken gespritzt. Die Tiere werden acht Tage lang täglich kontrolliert und auf Krankheitszeichen untersucht. Die Bewertung erfolgt nach „gesund“, „erkrankt“ und „tot“. Es werden Bewertungspunkte vergeben, die anschließend durch die Zahl der Tiere und Tage geteilt werden. Ein ICOI von über 0,7 wird als seuchenrechtlich relevant eingestuft. Lentogene Stämme haben einen ICPI unter 0,7, mesogene Stämme 0,7 bis 1,5 und velogene Stämme1,5 bis 2.
Ein Reservoir für das Virus bieten wild lebende, einheimische und durchziehende Vogelarten. Durch den weiteren Geflügelhandel und dem Import gefrorener Geflügelprodukte sowie exotischer Vögel aus betroffenen Ländern droht stets die Gefahr eines Seuchenausbruchs, daher betseht in Deutschland eine Impfpflicht.
Übertragen wird das Virus zwischen den Tieren durch infizierte Ausscheidungen. Dazu zählen Kot, Körperflüssigkeiten, Nasen-, Rachen-, Augensekret sowie Atemluft. Zwischen verschiedenen Haltungen kann das Virus durch infizierte Ausrüstungsgegenstände, Fahrzeuge, Betreuungspersonal, Wildvögel, sowie über die Luft verschleppt werden. Die Zeit zwischen der Ansteckung der Tiere und dem Ausbruch der Erkrankung (Inkubationszeit) liegt im Allgemeinen zwischen die und sechs Tage.
Es gibt verschiedene Verlaufsformen der Newcastle Krankheit, die einerseits von der Empfänglichkeit der Tiere, andererseits von der Virulenz der Erreger (lentogen, mesogen, velogen) abhängen. Insbesondere bei Legehennen kommt es bei schweren Verläufen zu Todesfallraten von mehr als 90% innerhalb von drei bis fünf Tagen. Es treten dünnschalige Eier auf und die Legetätigkeit wird vollständig unterbrochen. Beim einzelnen Tier fallen Schnabelatmung mit klagenden Tönen , Ausfluss aus dem Schnabel, dünnflüssiger, braungrünlicher Kot, Fieber mit dunkelblauroten Kämmen. Eiterherde im Rachen und Bewegungsstörungen sowie unnormale Kopfhaltung wie die „Sternguckerhaltung“ auf.
Infektionen mit abgeschwächtem Virus oder virulentem Virus in teilimmunen Hühnern führen zu langsamer Durchseuchung. Dabei kommt es zum Teil nur vorübergehend zu einem Legeleistungsrückgang (um 30-50%) und dünnschaligen bzw. schalenlosen Eiern. Einzelne Tiere entwickeln eine nicht eitrige Gehirnentzündung. Diese Tiere zeigen etwa ab der zweiten Woche nach Infektion Lähmungen oder Kopfverdrehen, die nicht heilbar sind. Auch treten Tiere mit typischen Anzeichen für Atemnot auf, die angestrengt schnorchelnde und gurgelnde Atemgeräusche haben. Auch Kombinationen dieser zentralnervösen und Atemwegssymptome sind möglich.
Hohe Todesfallraten
Plötzlicher Rückgang der Legeleistung
Dünnschalige Eier
Schnabelatmung und klagende Atemgeräusche
Bewegungsstörungen (Sterngucker)
Im Gegensatz zu Hühnern und Puten sind beim Wassergeflügel Krankheitszeichen wenig ausgeprägt.
Bei Menschen kann es bei intensivem Kontakt mit erkrankten Tieren zu leichten grippeähnlichen Symptomen kommen, auch kann impfvirushaltiges Wasser zu Lidbindehautentzündungen und Lymphknotenschwellungen führen.
Die Befunde bei der Sektion hängen vom Krankheitsverlauf ab. Häufig werden Austrocknung (Dehydratation), Leber-, Milz-, Nierenschwellung und Lungenentzündung nachgewiesen. Nicht immer festzustellen ist eine Blutvergiftung (Septikämie), bei der punktförmige Blutungen in den Häuten (Serosa) und im Fettgewebe der Leibeshöhle sowie im Drüsenmagen zu erkennen sind. Teilweise treten abgestorbene Bezirke (Nekrosen) im Darm auf.
Werden die oben aufgeführten Krankheitszeichen und pathologischen Befunde bei Geflügel festgestellt, besteht ein Verdacht des Ausbruchs der Newcastle Krankheit. Ein Verdacht kann auch bei einer virologischen Untersuchung ausgesprochen werden. Bereits dieser Verdacht ist nach §1 der Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest und die Newcastle Krankeit (Geflügelpest-VO) der zuständigen Behörde, meist dem Veterinäramt der Stadt oder des Landkreises anzuzeigen.
Die Krankheitsanzeichen sind nicht eindeutig, es kommen zunächst alle Erkrankungen mit Beteiligung des Atmungstraktes und Gehirns als Differentialdiagnosen in Frage. Auch erhebliche Tierverluste durch technische und bauliche Mängel wie Ausfall der Wasser-, Luft- und Futterversorgung sowie Vergiftungen sind auszuschließen.
Die Behandlung der Newcastle Krankheit ist verboten. Ist der Verdacht eines Ausbruchs angezeigt, werden von der zuständigen Behörde weitere Untersuchungen durchgeführt sowie Maßnahmen angeordnet, die die Verschleppung verhindern sollen. Dazu gehört, dass der Besitzer das Geflügel in einem geschlossenen Stall absondert und kein Geflügel in das Gehöft verbracht wird bzw. dieses verlässt. Verendete und getötete Tiere sowie Futter, Einstreu und sonstige Gegenstände dürfen nicht in Berührung mit Mensch, Tier und Umwelt kommen und auch der Personenverkehr wird auf das Notwendigste beschränkt.
Amtlich wird der Ausbruch der Newcastle Krankheit durch eine virologische Untersuchung festgestellt. Das nationale Referenzlabor für NK ist das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems. Dort wird das Virus isoliert und charakterisiert. In dem betroffenen Betrieb wird die Tötung und unschädliche Beseitigung des Geflügels angeordnet.
Nach amtlicher Feststellung wird für die Dauer von 21 Tagen ein Sperrbezirk im Umkreis von 3 km um den Ausbruchsbetrieb festgelegt. Der Umkreis von 10 km wird für die Dauer von 30 Tagen zum Beobachtungsgebiet. Ziel ist auch hier die Weiterverbreitung der Seuche zu verhindern. Daher dürfen dort keine Geflügelausstellungen, Geflügelmärkte oder ähnliche Veranstaltungen stattfinden. Auch darf Geflügel nicht ohne Zustimmung der zuständigen Behörde gehandelt oder transportiert werden. Geflügelhaltungen in dem Gebiet müssen gemeldet und tierärztlich auf NK untersucht werden.
Eine Impfung gegen Newcastle Disease durch einen Tierarzt ist in Deutschland für alle Halter von Hühnern und Truthühnern, unabhängig von der Zahl der gehaltenen Tiere, vorgeschrieben. Nach der Tierimpfstoff-VO kann unter Umständen auch der Tierhalter selbst impfen, sofern der betreuende Tierarzt dies bei der ersten Abgabe der zuständigen Behörde anzeigt.
Auch die Ausstellung der Tiere auf Geflügelschauen und ähnlichen Veranstaltungen ist nur in Begleitung einer tierärztlichen Bescheinigung möglich, aus der hervorgeht, dass der Herkunftsbestand der Tiere regelmäßig entsprechend den Empfehlungen des Impfstoffherstellers gegen NK geimpft wurde.
Geimpft wird meist über das Trinkwasser mit abgeschwächtem Virus. In der Aufzucht wird insgesamt drei Mal (in der 3., 7. und 16. Woche), anschließend alle drei Monate geimpft. Eine Alternative hierzu ist die „Nadelimpfung“, hier wird der Impfstoff nach der Aufzucht 1x jährlich in die Brustmuskulatur gespritzt.
Quelle: Geflügelzeitung